Die Kraft der Ruhe
Franzosen nehmen sich Zeit zum Genießen. Und was gut schmeckt, will auch in Ruhe vorbereitet sein. Wohl nirgendwo trifft dies mehr zu als in der Bäckerei, wo die Maître Boulanger ihrem Nationalbrot alle Zeit geben. backaldrin-Bäckermeister Uwe Haidinger hat sie bei einer Reise zu den Wurzeln des Baguettes beobachtet.
Den Ursprung wollen manche Bäckereihistoriker zwar in Wien ausgemacht haben, ebenso wie jenen des Croissants. Darüber scheiden sich die Geister. Sicher ist jedoch, dass französische Bäcker die Kunst der Baguetteherstellung über Jahrzehnte kultiviert und vollendet haben. Die „Maître Boulanger“ gelten daher auch über die Landesgrenzen hinweg als erste Anlaufstelle für Tipps rund um der Franzosen liebstes Brot. In diese Welt tauchte auch backaldrin-Bäckermeister Uwe Haidinger ein. Die viel gepriesene Ruhe von den Bäckern der Grand Nation machte Haidinger anfangs ordentlich zu schaffen: „Da prallten Welten aufeinander“, erzählt Haidinger von der Begegnung zweier Kulturen.
Teigphilosophie
Dass der Teig viel Zeit braucht, ist auch seine Philosophie. Doch während der Teig ruht, sah er sich in der Backstube bislang stets mit einer Fülle anderer Aufgaben konfrontiert. In Frankreich allerdings haben auch die Bäcker während der Teigruhe mehr Ruhe als hierzulande. „In der Zeit, in der wir geschäftig längst anderen Aufgaben nachgehen, wartet ein Bäcker in Frankreich bei einem Kaffee oftmals geduldig auf das ruhende Baguette“, sagt der backaldrin-Bäckermeister. „Das macht sich in der Qualität bemerkbar.“ Auch die Zutaten werden behutsam ausgewählt: Nur beste Spezialmehle kommen für das längliche Nationalgebäck in Frage. Bevor sie den Weg in die Hände der Bäcker finden, werden die erlesenen Rohstoffe bereits für ihre spätere Aufgabe veredelt.
Stein für Stein
Für den Erfolg sind neben den Faktoren Zeit und Zutaten u.a. das Kneten, die Autolyse und die Salzzugabe von großer Bedeutung. Die Autolyse ist ein Verfahren, bei dem nur Mehl und Wasser im ersten Gang gemischt werden. Anschließend wird eine Teigruhe von 30 Minuten bis zu drei Stunden eingehalten. Dabei hat das Mehl sehr viel Zeit, das Wasser bis in den Kern einzubinden. Außerdem verlängert es den Gluten, der Teig wird dadurch elastischer und die Wasseraufnahme erhöht. Die Zugabe von Salz erfolgt erst in den letzten fünf Minuten des Knetprozesses. Dadurch bindet sich der Kleber später und der Teig kann besser quellen.
Frische von früh bis spät
Damit das Baguette den ganzen Tag über zum Nasen-, Augen- und Gaumenschmaus wird, kommt es immer frisch aus dem Backofen. So zeichnet sich Baguette de la France durch eine schöne, goldbraune und leicht glänzende Kruste aus. Die gelbliche Krume besticht durch eine regelmäßige Porung und unverwechselbaren Weizengeschmack, geprägt von den Spezialmehlen aus den Regionen Frankreichs.
Einen Überblick über die Rezepte der französischen Bäckereispezialitäten finden Sie im Backberater.
Weitere Tipps zur Baguette-Herstellung ebenso wie viele andere Themen aus der Bäckereiwelt, können Sie in der neuen Ausgabe des backaldrin-Kundenmagazins backtuell Mai 2017 nachlesen, das hier auch online verfügbar ist.